Ein Online-Abo, das sich nur über fünf versteckte Klicks kündigen lässt oder ein „Weiter“-Button, der sich als Zustimmung zur Datenweitergabe entpuppt − was im ersten Moment wie kleinere UX-Sünden wirkt, ist längst Gegenstand politischer und rechtlicher Debatten in der EU. Die Rede ist von sogenannten Dark Patterns. Bei diesen handelt es sich um manipulative Interface-Designs, die Nutzende bewusst in die Irre führen.
Die Europäische Union hat reagiert. Mit dem Digital Services Act, kurz DSA, und dem geplanten Digital Fairness Act, kurz DFA, soll der Einsatz dieser Praktiken stark eingeschränkt – teilweise sogar verboten – werden.
Unternehmen, die bisher mit Design statt mit Transparenz arbeiteten, stehen damit unter Zugzwang.
Was sind Dark Patterns – und was macht sie so gefährlich?
Der Begriff Dark Patterns wurde 2010 vom UX-Designer Harry Brignull geprägt. Gemeint sind damit Designentscheidungen, die gezielt so eingesetzt werden, dass sie die Entscheidungsfreiheit der Nutzer einschränken. Typische Beispiele:
- Roach Motel: Einfaches Einsteigen, schwieriges Aussteigen (beispielsweise bei Abos)
- Hidden Costs: Zusatzkosten, die erst beim letzten Schritt erscheinen
- Confirmshaming: Nutzer werden emotional unter Druck gesetzt, etwa durch Formulierungen wie „Nein danke, ich verzichte auf meinen Rabatt!“
In der Praxis betreffen diese Muster vor allem Online-Shops, Buchungsplattformen oder soziale Netzwerke. Vereinzelt sind sie jedoch auch bei Anwendungen im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung zu finden.
Neue Regeln: Was DSA und DFA vorschreiben
Der Digital Services Act, der seit Februar 2024 in Kraft ist, verpflichtet große Plattformen nun dazu, nutzerfreundliche und transparente Interfaces bereitzustellen. Irreführende Schaltflächen, verschleierte Opt-out-Möglichkeiten oder manipulative Cookie-Banner können abgemahnt werden. Es drohen Bußgelder in Millionenhöhe.
Noch weiter geht der geplante Digital Fairness Act. Dieser thematisiert explizit Dark Patterns. Er soll dafür sorgen, dass Unternehmen ihre UX nicht länger im Sinne der Ausnutzung kognitiver Schwächen gestalten dürfen.
Was das konkret bedeutet? Nutzer sollen klar erkennen können, worauf sie sich einlassen – ob bei einem Abo, dem Tracking oder einem Vertragsabschluss.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Die neuen Regulierungen zwingen Unternehmen dazu, ihre Nutzerführung zu überdenken – allerdings nicht nur aus rechtlichen Gründen. Wer auf Klarheit setzt, profitiert auch wirtschaftlich. Die Conversion mag kurzfristig niedriger ausfallen, doch Vertrauen und langfristige Kundenbindung steigen.
UX wird damit zur Compliance-Frage. Ein Beispiel: Die Gestaltung der Opt-in/Opt-out-Funktionen für Newsletter oder Werbetracking wird künftig den Unterschied zwischen einem rechtskonformen Interface und einer Abmahnfalle ausmachen. Besonders stark im Fokus stehen Branchen, in denen Vertrauen eine entscheidende Rolle spielt, wie etwa Finanzdienstleister, E-Commerce oder Gesundheitsanbieter.
Ein gutes Beispiel für eine zeitgemäße UX ohne Dark Patterns liefert ein professionelles Webdesign für Zahnärzte. Bei diesem geht es nicht darum, die Nutzer zu manipulieren, sondern ihnen Orientierung und Sicherheit zu geben. Patienten finden auf gut gestalteten Praxiswebsites heute sowohl die Öffnungszeiten der Praxis als auch Informationen zur Behandlung, klare Kontaktwege, transparente Datenschutzhinweise − und eine intuitive Benutzerführung ohne versteckte Haken.
Dieses Prinzip – Klarheit vor Klickrate – lässt sich auf viele andere Branchen übertragen. Nicht der „Trick“, sondern der echte Mehrwert rückt somit in den Mittelpunkt.
Was jetzt wichtig ist − ein Überlick
- UX-Check durchführen: Unternehmen sollten ihre bestehenden Interfaces prüfen – idealerweise unter Einbeziehung einer juristischen und UX-Fachberatung.
- Designsysteme anpassen: Wer mit standardisierten Komponenten arbeitet, vererbt Dark Patterns oft unbewusst mit. Auch hier ist daher ein Review dringend anzuraten.
- Transparenz als strategisches Ziel begreifen: UX darf kein Conversion-Kompromiss sein, sondern ist als Vertrauensbeweis zu verstehen.
Dark Patterns stehen vor dem Aus – zumindest im europäischen Rechtsraum. Was früher als cleveres Design galt, wird zunehmend als Verbrauchertäuschung eingestuft.
Für Unternehmen bietet das eine große Chance: Diejenigen, die ihre UX mit Klarheit und Fairness gestalten, erfüllen nicht nur rechtliche Vorgaben, sondern positionieren sich langfristig als vertrauenswürdige Marke in einem zunehmend kritischen digitalen Umfeld.